Bestimmung der Reinigbarkeit nach der Materialalterung
Um den Einfluss der künstlichen Alterung auf die Materialien ableiten zu können, werden drei Oberflächenparameter (Rauheit, freie Oberflächenenergie und Farbe) mit geeigneten Messverfahren zunächst an unbehandelten Proben und anschließend nach den künstlichen Behandlungen bestimmt. Maßgeblich für die Reinigbarkeit sind die Oberflächeneigenschaften Rauheit und freie Oberflächenenergie. Die Farbe wird als optisches Kriterium hinzugezogen. Die Veränderung der Farbe hat zwar keine direkte Auswirkung auf die Reinigbarkeit von Oberflächen, ermöglicht jedoch bessere Rückschlüsse auf die Ursachen und Einflussfaktoren der Alterungsvorgänge. Die Alterung der Materialien geht oftmals mit der Veränderung der Oberflächeneigenschaften und somit einer veränderten Reinigbarkeit einher. Dadurch können Erreger sich einfacher ausbreiten und schlechter bei einer Reinigung abgetragen werden.
Messverfahren 1: Bestimmung der Rauheit
Die Rauheit (Oberflächenrauheit) ist der Grad der Unebenheit einer Festkörperoberfläche unterhalb der Größenskala ihrer Form oder Welligkeit, aber oberhalb der Unregelmäßigkeit von Kristallgitterstrukturen. Der Grad der Rauheit hat Einfluss auf die Benetzbarkeit eines Festkörpers. Eine höhere Rauheit bedeutet eine stärkere Rutschhemmung, aber gleichzeitig auch eine höhere Anforderung bei der Reinigung. Bei hoher Rauheit ist eine mechanische Verzahnung der Partikel auf der Oberfläche zu erwarten, die sich negativ auf den Reinigungserfolg auswirkt. Die Bestimmung der Rauheitskennwerte der Oberflächen erfolgt mit dem 3D-Laser-Konvokalmikroskop.
Messverfahren 2: Bestimmung der freien Oberflächenenergie
Die freie Oberflächenenergie bestimmt maßgeblich die Benetzbarkeit von Festkörpern durch Flüssigkeiten. Die Benetzbarkeit wird durch den Kontaktwinkel eines Flüssigkeitstropfens mit der Materialoberfläche beschrieben. Je größer der Kontaktwinkel, desto „hydrophober“ ist die Oberfläche und lässt sich dadurch auch besser reinigen. Die freie Oberflächenenergie wird mittels Kontaktwinkelmethode im dynamischen Messverfahren mit unterschiedlichen Testflüssigkeiten in Anlehnung an die DIN 55660-2:2011-12 „Beschichtungsstoffe – Benetzbarkeit – Teil 2: Bestimmung der freien Oberflächenenergie fester Oberflächen durch Messung des Kontaktwinkels“ gemessen.
Zur Bestimmung der Oberflächenenergie der Materialproben wird der Kontaktwinkel von Testflüssigkeiten und deren Oberflächenspannung gemessen. Die Lösungsmittel, die dabei verwendet wurden, sind: Wasser, Glycerol, Ethylenglycol. Die freie Oberflächenenergie wird mit einem geeigneten Berechnungsverfahren aus den dispersen und den polaren Anteilen der Oberflächenspannung berechnet.
Messverfahren 3: Bestimmung der Farbe
Alterungsprozesse gehen oft mit einer Farbänderung des Oberflächenmaterials einher. So können farbliche Veränderungen ein Hinweis sowohl für die Ursachen als auch für die Einflussfaktoren der Degradation des Materials sein. Auch wenn sie keinen direkten Einfluss auf die Reinigbarkeit hat, kann eine Farbänderung darauf hindeuten, dass die Oberflächeneigenschaften durch die Alterungsvorgänge geschädigt wurden.
Mit einem portablen Spectrophotometer wird die Farbe durch eine farbmetrische Messung der Probenoberflächen objektiv bestimmt. Die objektive Messung von Farben dient der Beschreibung der Farbwirkung mittels objektiver Zahlenwerte. Die Farbe wird dabei in Zahlenwerten nach dem L*a*b*-Farbsystem, auch CIE6LAB-System genannt, gemessen, das unten abgebildet ist. Dieses orientiert sich an den physiologischen Eigenschaften der menschlichen Farbwahrnehmung.
Die Farbe wird nach den in DIN 5033-7:2014-10 „Farbmessung – Teil 7: Messbedingungen für Körperfarben“ geltenden CIE 1964 10°-Normalbetrachter und dem Normlicht D65 bestimmt. Das Normlicht D65 entspricht dem mittleren Tageslicht an einem Nordfenster mit einer Farbtemperatur von 6.504 K.
Bestimmung der Restpartikelmenge
Die Reinigbarkeit der untersuchten Feststoffoberflächen wird vor und nach dem künstlichen Alterungsprogramm verglichen, indem die Restpartikelmenge 𝑃 nach der Reinigung auf den Oberflächen bestimmt wird, und der festgestellte Einfluss der Materialalterung auf die Reinigbarkeit wird beschrieben.
Die Restpartikelmenge gibt die nach der Reinigung auf der Oberfläche zurückbleibende Anzahl an Partikeln an. Um sie bewerten zu können, ist folgender Zusammenhang zu beachten: Je geringer die Restpartikelmenge, desto leichter ist eine Oberfläche zu reinigen. Die Ermittlung der Restpartikelmenge erfolgt auf Basis des Verhaltensmodells nach Dressler, das mit Gleichung (1) beschrieben wird. Dieses Verhaltensmodell ist auf drei verschiedene Partikelgrößenkanäle anwendbar. Da die Partikelgröße je nach Kontamination (Staub, Organismen, Krankheitserreger) unterschiedlich ausfallen kann, müssen die Größenkanäle zur Berechnung der Restpartikelmenge berücksichtigt werden. Die Koeffizienten der verschiedenen Größenkanäle für die Rauheit, die freie Oberflächenenergie sowie den Wechselparameter sind der Abbildung 6 zu entnehmen. Für die Konstante ist = 0,1 anzusetzen.
Im Rahmen dieser Untersuchung findet die Beurteilung der Proben nach der künstlichen Alterung in vier Kategorien statt. Liegt die Restpartikelmenge nach der Alterung < 100 %, besteht eine Verringerung der Restpartikelmenge. Liegt sie jedoch über 100 %, sind höhere Restpartikelmengen auf diesen Oberflächen nach der Alterung zu erwarten. Die Erhöhung wird unterschieden in gering, mäßig und stark. Bei einer starken Erhöhung ist beispielsweise davon auszugehen, dass sich die Restpartikelmenge nach der künstlichen Alterung mindestens verdoppeln wird. Diese quantitative Zuordnung wurde gewählt, um eine möglichst plausible und anschauliche Beurteilung der Materialproben zu ermöglichen.
Die Bewertung der untersuchten Materialien erfolgt über die berechnete Restpartikelmenge. Im Artikel zur Materialempfehlung werden Einsatzempfehlungen der untersuchten Materialien anhand der berechneten Restpartikelmenge gegeben.