Herleitung Materialempfehlung
Auf Basis der Auswertungen der Restpartikelmenge wird eine Empfehlung darüber abgegeben, welche Materialien sich besonders für welche chemischen, physikalischen und mechanischen Anforderungen in kritischen Infrastrukturen eignen. Die Beurteilung erfolgt in drei Einzelschritten:
1. Zunächst werden die zu erwartenden chemischen, physikalischen und mechanischen Einwirkungen in der zu betrachtenden kritischen Infrastruktur bestimmt.
2. Die Einstufungen in geringe, mittlere und starke Einwirkung geben im zweiten Schritt die Anforderungen an das zu verwendende Material vor. Aus einer starken Einwirkung resultiert dementsprechend eine hohe Anforderung in dieser Kategorie an die Materialien. Die Anforderungen werden auf Grundlage der Restpartikelmenge eingestuft. Bei einer starken Einwirkung darf die Restpartikelmenge des Materials nach der Alterung „keine Erhöhung“ bzw. nur eine „geringe Erhöhung“ aufweisen. Bei einer geringen Einwirkung dürfen alle Materialien eingesetzt werden, einschließlich Proben mit starker Erhöhung der Restpartikelmenge.
3. Im letzten Schritt werden die untersuchten Materialien den entsprechenden Kategorien zugeordnet. Daraus ergeben sich Materialempfehlungen, die für jede der drei Beanspruchungsarten die jeweiligen Anforderungen erfüllen. Die endgültige Empfehlung erfolgt unter Betrachtung der Schnittmenge aller drei Anforderungen.
In dem vorliegenden Materialkatalog werden nur Materialproben berücksichtigt, die als Bodenbeläge eingesetzt werden können. Dennoch können nach diesem Schema grundsätzlich alle Materialien untersucht werden. Bei der Materialuntersuchung werden die Alterungsarten bei den einzelnen Proben getrennt durchgeführt. In der Realität finden chemische, physikalische und mechanische Einwirkungen oft zeitgleich statt. Die Kombination der Beanspruchungen könnte in weiteren Untersuchungen berücksichtigt werden.
Beispiel: Auswahl eines geeigneten Materials
Anhand eines Beispiels der Ansprüche in Operationsräumen von Krankenhäusern und resultierenden Materialempfehlungen kann das Bewertungsschema nachvollzogen werden (Abb. 1). Die chemische Einwirkung kann dabei als „stark“ eingestuft werden, da in diesen Räumlichkeiten intensiv mit Desinfektionsmitteln und für längere Zeit gearbeitet wird. Ein 4-wöchiger intensiver Einsatz von aggressiven Desinfektionsmitteln ist in Operationsräumen durchaus realistisch. Die mechanische Einwirkung kann ebenfalls als „stark“ eingestuft werden, da die Beanspruchung mit Krankenhausbettrollen sehr häufig vorkommt. Die in der Materialuntersuchung durchgeführten Beanspruchungen von ca. 800.000 Einzelbelastungen sind in dem zu betrachtenden Einsatzort über die gesamte Nutzungsdauer denkbar. Dahingegen darf die physikalische Einwirkung als „mittel“ eingestuft werden, da die Beanspruchung durch UV-Strahlen und Feuchtigkeit nicht sehr ausgeprägt ist. Eine 6-monatige intensive Beanspruchung durch natürliche UV-Strahlungen ist in Operationsräumen zwar nicht zu erwarten, jedoch sind intensive Nass-Trocken-Zyklen vorstellbar. Durch die Einstufung der Einwirkungen erfolgt die Definition der Anforderungen. Aus starker chemischer und mechanischer Einwirkung folgt eine hohe Anforderung an die Materialien. Daher dürfen dort nur Materialien mit dem Attribut „keine Erhöhung / geringe Erhöhung“ der Restpartikelmenge eingesetzt werden. In diesem Beispiel wurde die Art der eingesetzten Desinfektionsmittel nicht konkret vorgegeben. Daher werden im Rahmen dieses Beispiels beide Desinfektionsmittel betrachtet und die konservativeren Ergebnisse aus den beiden untersuchten Proben gewählt. Hinsichtlich der mittleren physikalischen Einwirkung dürfen hingegen auch Materialien eingesetzt werden, die eine „mäßige Erhöhung“ der Restpartikelmenge zeigen. Nach der Zuordnung der entsprechenden Testergebnisse der Materialien wird ersichtlich, dass die Proben B5 (PVC) und B23 (PVC) in allen drei Kategorien die jeweiligen Ansprüche erfüllen und somit als Bodenmaterial für Operationsräume empfohlen werden können.