Die Entwicklung des Krankenhausbaus von 1400 bis 1945
Auch wenn der bauliche Gesundheitsschutz als Thema erst in jüngerer Geschichte konkret benannt und etabliert wurde, haben Menschen schon seit langer Zeit ihre Gebäude derart gestaltet, dass grundlegende Gesundheitsrisiken reduziert werden konnten. Grundsätzlich sind Gebäude ein Schutzraum für uns Menschen vor Naturgewalten, Temperaturextremen und anderen Tieren. Auch Schornsteine und Kamine wurden entwickelt, um der schädlichen Rauchentwicklung von Feuerstellen im Wohnraum entgegenzuwirken und eine Frischluftzufuhr sicherzustellen. Alte Kulturen wie die Römer hatten Kanalisationssysteme, um die Straßen reiner zu halten. Diese Entwicklungen waren bereits sehr effektiv, auch wenn sie nicht auf Grundlage der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse basierten.
Wie das sich wandelnde Verständnis von Medizin, Krankheitserregern, Gesundheit, Technik und Gesellschaft den baulichen Gesundheitsschutz im deutschsprachigen Raum geprägt hat, kann man an einer relevanten Infrastruktur demonstrieren: dem Krankenhaus und seinen Vorläufern.
Ordensgemeinschaften als Träger der Pflege
Bereits im christlich geprägten Europa des Mittelalters standen die Hospitäler, Seuchenstationen und Waisenhäuser nicht nur im Zeichen der Nächstenliebe. Sie dienten vielmehr als Einrichtungen, um Kranke zu heilen und andere Bürger*innen vor gefährlichen Infektionen zu schützen.
Welche Bedeutung diese Hospitäler im 15. Jahrhundert hatten, zeigte sich, als sich im europäischen Raum gefährliche Seuchen wie Lepra oder Pest in mehreren Schüben ausbreiteten. Durch die Isolierung und ärztliche Behandlung von Infizierten in diesen Gebäuden war man in der Lage, diese Krankheiten einzudämmen und die fortschreitende Mobilität der Bevölkerung nicht allzu sehr einzuschränken. In der Regel wurden Krankenhäuser während dieser Zeit außerhalb der Stadtmauern oder am Rand einer Siedlung gebaut, um dadurch die Verbreitung von Infektionen zu verhindern (Abb. 1). Die Hilfe, Pflege und Heilung von Kranken und Gebrechlichen waren meist im Sinne der christlichen Nächstenliebe Aufgabe von Ordensgemeinschaften, die ihre Gebäude in städtischen Randlagen und meist hinter einer eigenen Umfriedung errichteten [Knefelkamp, 1987]. Die räumliche Nähe zur Kirche unterstützte maßgeblich die umfassende geistig-religiöse Krankenbehandlung. Über Jahrhunderte war der um 820 entstandene St. Galler Klosterplan des Benediktinerordens ideales Vorbild für den Hospitalbau (Abb. 2). Der Grundriss zeigt in seiner räumlichen Anordnung einen viereckigen Kreuzgang, um den sich die sozialen Bereiche anordnen und der eine enge Verbindung zur Kirche herstellt. In diesen Räumlichkeiten befanden sich nicht nur die Unterkünfte für die Ordensbrüder, Pilger und Reisenden, sondern auch Pflegeeinrichtungen für Kranke. Die in den Benediktinerklöstern gelebte Fürsorge nahm einen so hohen Stellenwert ein, dass sich dadurch die Klöster zu Zentren medizinischen Wissens entwickelten.
Die Fortschritte in der Forschung ab dem 18. Jahrhundert
Einen Meilenstein in der Krankenhausgeschichte stellt das im Jahr 1727 fertiggestellte Berliner Krankenhaus Charité dar. Die drohende Ausbreitung von Pestepidemien und die Furcht vor deren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Folgen veranlassten Preußens König Friedrich I. dieses Krankenhaus nach dem Vorbild des Pariser Krankenhauses Hôpital Saint-Louis (1607) zu errichten. Die Charité besaß neben einem Pflegebereich für 200 Patient*innen zwei Infektionsstationen und eine Geburtshilfestation. Die Verteilung der Bereiche war für die damalige Zeit innovativ: In den Krankenabteilungen der ersten und zweiten Etage hatten die Planenden kleine Zimmereinheiten mit zehn bis zwölf Betten vorgesehen und wichen damit von den bis dahin üblichen hallenartigen Pflegebereichen ab (Abb. 3, 4). Zudem waren die Zimmer von einem auf der Innenhofseite verlaufenden Flur erreichbar. Das Pflegepersonal der Charité überwachte die Sauberkeit der Zimmer, den Wechsel der Bettwäsche und den Tagesablauf. Die Eröffnung dieses Krankenhauses initiierte ab 1770 die Gründung einer Reihe weiterer Kliniken in Deutschland, die insbesondere die Gesundheitsversorgung und die Betreuung armer Bevölkerungsschichten sicherstellten. In dieser Phase der ersten Generation von Krankenhäusern wurde versucht, anhand verschiedener Gebäudetypen bauhygienische Lösungen zu finden. Ziel war es, eine gegenseitige Infizierung von Patient*innen zu verhindern, um die schon damals bekannte Hospitalepidemie nicht zu begünstigen, auch wenn sie nicht komplett zu vermeiden war.
Für die Weiterentwicklung des Krankenhausbaus war die Zeit des aufgeklärten Absolutismus in Mitteleuropa von Bedeutung. Die Fortschritte der Forschung im Bereich der Naturwissenschaften unterstützten nachhaltig auch das Wissen der Medizin. Das hatte zur Folge, dass die Medizin seit dem 18. Jahrhundert Krankheiten klassifizieren und erfolgreich Therapieansätze entwickeln konnte. Besonders für das Wohlergehen der unterprivilegierten Schicht brauchte es das Krankenhaus, um sie vor Siechtum und Krankheit zu schützen. Die Verschlechterung der Lebensbedingungen des Proletariats hatte zur Zeit der Aufklärung durch die zunehmende Industrialisierung bedrohliche Ausmaße angenommen.
In Wien, das damals 250.000 Einwohner hatte, wurde 1780 unter den Umwälzungen dieser Zeit nach Plänen des Arztes Joseph Quarin und des Architekten Matthias Gerl ein Großklinikum verwirklicht. Ziel war es, die Krankenfürsorge für eine ganze Region zu zentralisieren und zu rationalisieren. Die Gebäude bestanden aus drei Stockwerken, wobei jeweils zwei Krankensäle zu einer Einheit zusammengefasst waren. Jeder Krankensaal verfügte über 20 Betten, die an den beiden Längswänden unterhalb der Fenster aufgestellt worden waren. Die Räume konnten von der Schmalseite her betreten werden, da auf einen Korridor verzichtet wurde (Abb. 5, 6).
Im Jahr 1785 erteilte Preußens König Friedrich II den Auftrag für den Neubau der Charité in Berlin. Der Neubau sah eine dreiflügelige Gebäudeanlage mit vier Geschossen vor. Die Mittelachse teilte das Gebäude in zwei Bereiche: Die von der Eingangshalle links gelegenen Räume waren den Frauen vorbehalten, die auf der rechten Seite den Männern. Im Erdgeschoss befanden sich die chirurgische und die innere Station. Die Pflegestationen waren in den darüberliegenden Geschossen untergebracht (Abb. 7). In den Seitenflügeln wurden kleinere Krankenzimmer eingerichtet und in dem mittleren, zur Straße orientierten Gebäudeflügel standen Krankensäle für je 16 Patient*innen zur Verfügung. Zwischen jeweils zwei Krankensälen waren eine Sanitärzone und eine Toilette vorgesehen. Die stetige Ausweitung und Differenzierung der Medizin seit Anfang des 19. Jahrhunderts spiegelte sich auch in der Gebäudestruktur der Charité wider. So gab es zu jener Zeit bereits acht eigenständige Kliniken auf dem Gelände.
Die Pavillonstruktur und die Versorgung der Patient*innen mit Luft und Licht
In der Geschichte des Krankenhauswesens wird die Zeit bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871 als Übergangszeit angesehen. Während dieses Zeitraumes veränderten sich die Strukturen und die Ausstattung der Krankenhäuser stetig. Die Hygiene rückte verstärkt in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dies ist an der Zunahme der sanitären Einrichtungen, aber auch an der Errichtung von Waschhäusern, wie der für die Charité im Jahr 1848, zu erkennen (Abb. 8). Zugleich beschäftigten sich Forschende mit hygienisch relevanten Themen wie der sinnvollen Beseitigung von allgemeinen und medizinischen Abfällen oder der gezielten Reinigung der Sanitäranlagen, Fußböden und Oberflächen. Es wurden Krankenhäuser errichtet, die über eine hohe Raumvariabilität verfügten, eine Separierung der Patient*innen nach Krankheitsart, Geschlecht und Alter vorsahen sowie eine qualitätsvolle Krankenpflege ermöglichten.
Zwischen 1870 und 1918 wuchs die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland rasant. Allein zwischen 1876 und 1900 verdoppelte sie sich von 3.000 auf 6.300 und die Bettenzahl stieg von 150.000 auf 370.000 [Murken, 1988]. Zugleich entstand eine überraschende Typenvielfalt an Krankenhäusern. Einer der wichtigsten Aspekte der nun stark einsetzenden Krankenhausbautätigkeit war die Vermeidung der Übertragung von Krankenhauserregern, den sogenannten nosokomialen Infektionen. Des Weiteren bemühten sich viele Krankenhausbetreiber, den Patient*innen eine qualitativ hochwertige Pflege hinsichtlich Bettkomfort, sanitärer Einrichtungen und Ernährung während des Aufenthaltes zu bieten. Dies führte auch zu einer Neuausrichtung des Krankenhausbaus. Statt der bisher errichteten Korridorkrankenhäuser wurden flache Pavillons im Grünen geplant. Kleine, flache Bettenhäuser verteilten sich locker über große Areale und erinnerten in ihrer Architektur eher an Erholungsorte als an Krankenhäuser. Die Patient*innen lagen in Krankensälen, die mit großformatigen Fensterflächen, breiten Veranden oder Terrassen ausgestattet waren. Die Versorgung der Krankenbetten mit Luft und Licht sowie die Reinhaltung der Zimmerluft hatten höchste Priorität. Begleitet wurden diese baulichen und strukturellen Veränderungen durch die Fortschritte auf den Gebieten der Hygiene und der Bakteriologie. Hervorzuheben als eine der größten Pavillonanlagen dieser Zeit ist das 1888 eröffnete Städtische Allgemeine Krankenhaus im Hamburger Stadtteil Eppendorf (Abb. 9 und 10).
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde mehr und mehr Abstand von der Pavillonstruktur genommen, um sich hin zu einer dichteren und mehrgeschossigen Bauweise zu entwickeln. Mit der Korridorbauweise strukturierte sich das Krankenhaus kleinteiliger und wuchs wieder in die Höhe, wie zum Beispiel das Städtische Krankenhaus in Düsseldorf (Abb. 11 und 12).
Auf die bewährte Freilufttherapie wurde jedoch nicht verzichtet. Fast alle Krankensäle öffneten sich nach Süden und waren mit einem Südbalkon ausgestattet. Der auch unter der Bezeichnung Terrassenkrankenhäuser [Murken, 1988] bekannte Typus setzte sich bis zum Zweiten Weltkrieg in ganz Deutschland durch.